Geschichte

Pflanzenernährung in Hohenheim

1923 - 1932

Zur Zeit der Weimarer Republik war das Erreichen der Autarkie eine der wichtigsten ökonomischen und politischen Herausforderungen. Bei der Nahrungsmittelproduktion sollte dieses Ziel insbesondere durch den vermehrten Gebrauch von Mineraldünger zur Ertragssteigerung realisiert werden. Während es für die Düngemittelindustrie möglich war, Stickstoff und Kalium im eigenen Land zu beziehen und herzustellen, musste Phosphat importiert werden. Vor diesem Hintergrund wurde Margarete von Wrangell 1923 Deutschlands erste ordentliche Professorin und Gründerin des Instituts für Pflanzenernährung der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim. Dort forschte sie hauptsächlich über die Pflanzenverfügbarkeit von Phosphat im Boden. Neben Feld- und Gefäßversuchen wurden auch Laborversuche mit Bodenorganismen durchgeführt. Zu dieser Zeit war es höchst außergewöhnlich, dass eine Frau Institutsleiterin werden konnte. Neben ihrer wissenschaftlichen Qualifikation, war es auch ihr starker Charakter, der sie so weit kommen ließ. Dabei wurde sie oftmals mehr von der Regierung und der Wirtschaft unterstützt, als von ihren Fachkollegen.

 

1932 - 1960

Nach ihrem Tod im Jahr 1932 wurde Kurt Maiwald als ihr Nachfolger an das Institut berufen. Zur selben Zeit begann 1933 das Dritte Reich mit der Machtergreifung Hitlers. Darauf folgend begann die NSDAP immer stärker Kontrolle auf Wissenschaft und Lehre auszuüben; die meisten leitenden Positionen wurden von Parteimitgliedern übernommen. Im Hinblick auf den bevorstehenden Krieg stellte erneut die Autarkie eines der wichtigsten politischen Ziele dar, welches man im Zuge der „Erzeugerschlacht“, mit der die Rationalisierung der Nahrungsmittelversorgung und die damit verbundene Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung erreicht werden sollten. Um dies auf politischer Ebene umsetzen zu können, wurde der Reichsnährstand gegründet.


Nach dem Zweiten Weltkrieg brach die Nahrungsmittelversorgung zusammen und es war zunächst oberste Priorität diese wieder sicherzustellen. Auch die Gesellschaft wurde mit den Konsequenzen, die die Unterstützung des Nationalsozialismus mit sich brachte, konfrontiert. Dazu gehörten die Entnazifizierungsmaßnahmen, bei denen viele Professoren, die als Mitläufer eingestuft worden waren, mit einem vorübergehenden Berufsverbot belegt wurden. Dazu gehörte auch Maiwald, der bis 1948 von der Lehrtätigkeit ausgeschlossen wurde, aber 1950 erneut zum Professor auf Lebenszeit ernannt wurde. Vor diesem historischen Hintergrund forschte Maiwald schwerpunktmäßig über den Umsatz von organischem Material und führte am Institut Versuche zur Stallmistlagerung durch und beschäftigte sich neben der Verwertung von Siedlungsabfällen auch mit der Stickstoffbilanz in landwirtschaftlichen Produktionssystemen. Im Rahmen der Stallmistversuche nahm er an einem Forschungsprojekt des Reichsnährstandes teil, welches zum Ziel hatte, die Stallmistlagerung effizienter zu machen.

 

1960 - 1976

Nach Maiwalds Tod im Jahr 1960 wurde Gerhard Michael, der unter der sozialistischen Regierung der DDR keine Zukunft für seine Arbeit sah, als Institutsleiter berufen. Mit dem Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 begann sich die Agrarpolitik der Bundesrepublik Deutschland und der DDR in verschiedene Richtungen zu bewegen und der wissenschaftliche Austausch wurde schwieriger. In der Bundesrepublik Deutschland stieg die landwirtschaftliche Produktivität durch Fortschritte in der Pflanzenzüchtung, der Mechanisierung, der Flurbereinigung und der Mineraldüngung stark an und gipfelte schließlich in eine Überproduktion. Zu dieser Zeit gewannen auch Aspekte der Nahrungsmittelqualität mehr an Bedeutung. Die Forschungsschwerpunkte am Institut bewegten sich somit von anwendungsorientierten Themen zur Grundlagenforschung in den Bereichen der Ertragsphysiologie und der Qualität von Ernteprodukten (Fett- und Proteinzusammensetzung); außerdem wurden am Institut die Mechanismen der pflanzlichen Aufnahme und des Transportes der Nährstoffe untersucht. Mit der Hilfe von Marschner brachte Michael auch die Isotopentechnologie ans Institut. In den Jahren 1973 und 1974 konnten mit Helmut Beringer und Peter Martin zwei neue Professuren am Institut besetzt werden.

 

1976 - 1996

Als Michael sich 1976 in den Ruhestand begab, wurde sein Schüler und langjähriger Assistent Marschner neuer Institutsleiter. Marschner war zwischenzeitlich an der Technischen Universität Berlin als Professor tätig und nahm anschließend den Ruf nach Hohenheim an.
Im Rahmen des Beginns des Technologiezeitalters fand, neben einer Revolution der Labortechnologie mit schnelleren und empfindlicheren Analysemöglichkeiten, auch eine rasche Entwicklung der Computertechnologie statt. Dies führte auch zu einer Verbesserung der Kommunikation und machte die Wissenschaft internationaler. Im Gegensatz zum technischen Fortschritt entwickelte die Gesellschaft zu dieser Zeit auch ein wachsendes Umweltbewusstsein. Neben Schwermetallbelastung der Böden und der Verschmutzung von Wasser und Luft, wurde das Waldsterben zu einer wichtigen Problematik. Die Forschung unter Marschner beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit der Nährstoffaufnahme von Pflanzen und der Bedeutung der Rhizosphäre. Daneben spielten umweltrelevante Themen, Mykorrhiza Forschung und internationale Kontakte und Zusammenarbeit mit China, Westafrika und der Türkei eine wichtige Rolle für das Institut. Marschner führte verschiedene Forschungsgruppen am Institut zusammen. Diese wurden von den Professoren Walter J. Horst, Norbert Claassen, Volker Römheld und Sven Schubert geleitet. Marschner verstarb im Jahr 1996 unerwartet als letzter berufener Institutsdirektor.

 

1996 bis heute

Es dauerte einige Jahre mit zwei Berufungsverfahren bis 2001 Nicolaus von Wirén als Nachfolger berufen und zum geschäftsführenden Direktor gewählt wurde. Zu dieser Zeit etablierte sich die Molekularbiologie in der Pflanzenernährung. Von Wirén legte sich auf diesen Schwerpunkt fest, indem er Ammonium-, Eisen- und Harnstofftransport der Pflanze auf molekularbiologischer Ebene untersuchte. In dieser Zeit deckte Römheld stärker praxisorientierte Themen wie die Düngung und vor allem Rhizosphärenprozesse ab. 2004 kam Torsten Müller als neuer Professor ans Institut und übernahm mit dem Fachgebiet „Düngung mit Bodenchemie“ (später „Düngung und Bodenstoffhaushalt“) schließlich Aufgaben von Römheld, der 2008 in den Ruhestand ging. Auch Müller sieht seinen Forschungsschwerpunkt eher in anwendungsbezogenen Themen aus den Bereichen Düngung und Bodenstoffhaushalt einschließlich Spurengasanalytik sowie in der Prozessmodellierung. 2009 verließ von Wirén das Institut um seine Forschung am IPK Gatersleben weiterzuverfolgen und Uwe Ludewig wurde als Nachfolger für das Fachgebiet „ Ernährungsphysiologie der Kulturpflanzen“  berufen. Unter Müllers Geschäftsführung wurden die beiden Fachgebiete des Instituts durch eine Fusion mit anderen Fachgebieten Bestandteil des jetzigen Instituts für Kulturpflanzenwissenschaften. Ludewig nutzt ebenfalls Technologien der Molekularbiologie und hat das Anliegen Grundlagenthemen und anwendungsbezogene Themen mit in seine Forschung einzubeziehen. Schwerpunkte sind Ammonium-, Phosphor- und Mikronährstoffernährung. Seit 2011 ist Günter Neumann, der seit 1995 am Institut arbeitet, außerplanmäßiger Professor. Er beschäftigt sich bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2022 vorwiegend mit Rhizosphärenprozessen. 2013 erhielt Christian Zörb den Ruf für das Fachgebiet "Qualität pflanzlicher Erzeugnisse", in welchem auch Qualitätsaspekte der Düngung bearbeitet werden.

modifiziert aus Hamann, Helena (2011): Die Geschichte des Instituts für Pflanzenernährung der Universität Hohenheim. Masterarbeit, Inst. f. Kulturpflanzenwissenschaften, Universität Hohenheim, S. 102